Kinder

Ich befinde mich in einem annehmbaren Wohnzimmer.
Ein Klavier, ein Regal voll Buecher, Klassiker.
Dielenfussboden, eine grosse Tafel umgeben von verschnoekelten Stuehlen, ein Geschirrschrank voller Porzellan.
Eine Wolke bewohnt von 86 Wendt und Kuehn Engeln, die Ausdruck des Wohlstandes darstellen.
Ein Kind in einem kleinen Hemd und Jeans, gleichend der Kleidung eines Erwachsenen sitzt gelangweilt auf dem riesigen Ledersofa und spielt ein Spiel auf dem IPad.
Die Mutter bereitet in der Kueche das Abendmahl zu, da der Vater in genau 17 Minuten von der Arbeit nach Hause kehren wird und erwartet, dass der Tisch bereits gedeckt ist, damit er sich nach seinem anstrengenden Tag setzen, genuesslich in das bereits geschmierte Brot beissen und von all den stressigen Situationen und nervigen Kunden erzaehlen kann, die ihn belaestigten. Die Mutter, kaputt vom vielen putzen, waschen, kochen, Kind umherfahren, wird seichte laecheln, ihm ueber die Haare streichen und etwas sagen, was ihre Bemitleidung fuer ihren Partner ausdrueckt und ihn zufrieden stellt.
Dann sehe ich etwas verwunderliches.
Das Kind legt das IPad beiseite, steht langsam auf und geht auf die Wolke zu, nimmt sich einen Engel, der eine Geige in der Hand haelt und setzt sich wieder auf das Sofa. Es begutachtet den Engel ganz genau und denkt ueber den Ausdruck der handbemalten Augen nach. Daraufhin bricht es ihm die Geige aus der Hand, nimmt den Silberstift zur Hand, den die Mutter zum bemalen der Geburtstagseinladungen verwendete und auf dem Tisch hat liegen lassen, und bemalt die Geige, bis sie in silbrigen Glanze erstrahlt.
Natuerlich kommt die Mutter sobald aus der Kueche um den Tisch zu decken.
Sie erblickt die silberne Geige, den zerbrochenen Engel, nimmt beides in die Haende und versucht dem Kind ruhig erneut zu erklaeren, dass diese Engel lediglich der Dekoration dienen und kein Spielzeug darstellen. Sie erklaert ihm jeder kleine Engel wuerde mehr, als dreissig Euro kosten, dass ein Verkaeufer dafuer mindestens drei Stunden arbeiten muesse und dass der Silberstift verboten ist, da er giftige Inhaltsstoffe enthaelt. Sie schickt ihn auf sein Zimmer.
Verbluefft von dieser scheinbar normalen Situation ging ich auf die Mutter zu und fragte sie, ob sie ihre Handlung der Bestrafung der Kreativitaet des Kindes fuer sinnvoll halte und begann ihr den Text von Kahlil Gibran vorzutragen, der in meiner eigenen Kindheit Jahre lang an der Wand hing:
"Eure Kinder sind nicht eure Kinder. Es sind Soehne und Toechter von des Lebens verlangen nach sich selber. Sie kommen durch euch, doch nicht-"
"Kinder brauchen Grenzen, die es Ihnen ermoeglichen uns in dieser Welt zurechtzufinden. Die Ihnen Anleitung fuer die Realitaet gebieten. Regeln, die den Rahmen setzen, in dem sie sich zu bewegen haben." unterbrach mich die Mutter
"SIE HOEREN MIR JA NICHT EINMAL ZU" schrie ich.
Ich wachte auf. Ich realisierte.
Es war ein Traum.
Mein Freund schlaefrig erschrocken fragte mich, was passiert ist. Ich hatte wohl wirklich geschrien.
"I had a bad dream", sagte ich in verwirrtem Englisch (mein Freund ist Litauer). "I dreamed a mother was punishing her child for it's creativity, for the freedom of his mind which is still not fully extincted."
"It was just a dream" sagte er und nahm mich in die Arme und versuchte mich zu beruhigen, da ich viel zu schnell atmete und eine Mischung aus Lachen und Weinen hervorbrachte.
" Try to sleep again."
Ich schloss die Augen und dachte ueber meinen Traum nach. Ich bemerkte, dass diesem Traume viel zu viel Realitaet inhaerent ist und sagte zu meinem Freund: " I need to write something. I will go to the kitchen. Is that okay?" "Yes, just go but make sure the cat is outside the room" (unsere Katze ist Meisterin der Aufweckung schlafender Menschen.)
So ging ich also in die Kueche und begann diesen Text zu schreiben.

Ich mag behaupten Kinder seinen das die Purheit unserer Existenz.
Gesteuert lediglich von Instinkten der Natur erlernen sie sukzessiv diese zu unterdruecken und sich dieser Welt mehr und mehr anzugleichen. Das pure Blatt wird immer bunter bemalt, doch wird ihnen schnell beigebracht, dass Farben ausserhalb ihres Blattes nichts zu verloren haben. Wir wollen ihnen das bestmoegliche Leben in dieser Gesellschaft ermoeglicgen und gewoehnen sie seichte an die Regeln und Normen, an die sie sich zu halten haben um dieses zu erlangen. Wir meines es gut mit ihnen doch bemerken wir nicht, wie viel Geist wir dadurch bereits einschraenken.
Kinder haben die absurdesten, dennoch wundervollsten Ideen, da sie nur von ihnen selbst kommen. Sie verschoenern Geigen, da sie ihnen silber besser gefallen. Und dies tun sie nicht, da ihnen jemand sagte, dass silberne Geigen huebscher sind, nein, sie tun es aus sich selbst, aus ihrem puren Instinkt, ihrer rohen Leidenschaft heraus.
Kinder sind zu Beginn die einzigen Menschen, die diese Leidenschaft noch verspueren koennen, da sie in vielerlei Hinsicht noch unbeeinflusst von der Welt, der Gesellschaft, der Politik sind, die sie mit dem Heranaltern immer weiter einschraenken und leiten werden.
Die Aufgabe der Eltern ist dieses durch Aufklaerung so ausgiebig, wie moeglich zu verhindern.
Doch tun wir dies mit unserem paedagogischen System von Erziehung, der Laufbahn von Tagesmutter, Kindergarten, Grundschule, hoehere Schule, Studium wirklich?
Spaetestens mit der Idee ein Kind zu bekommen, sollte man sich diese Frage stellen.

Hier der Text von Kahlil Gibran in voller Laenge:



Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
Khalil Gibran, arabischer Dichter, 1883-1931

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